Dieses Buch ist so komplex, verwirrend und clever, dass ich gar nicht so recht weiß, wie ich alle meine Gedanken in einer Rezension zusammenfassen soll. „Moxyland“ von Lauren Beukes bietet Stoff genug für tagelange Diskussionen – unter anderem zu den Themen Medien, Werbung, Apartheit, Kontrolle und Freiheit. In dem Roman geht es um eine Welt, in der nicht nur zwischen reich und arm differenziert wird, sondern auch zwischen online und offline. Diese Verbindung reizte mich sehr. Und natürlich reizte mich, dass die Geschichte in Kapstadt, Südafrika, spielt – ein Land, in dem ich selbst einige Zeit lebte. Ich bedanke mich bei den Rowohlt Verlagen für das Rezensionsexemplar.
Da „Moxyland“ wie gesagt sehr komplex ist, war ich umso glücklicher darüber, dass ich es gemeinsam mit Tina von super.lese.helden gelesen habe! Der Austausch zwischendurch war ungeheuer anregend und es hat sehr viel Spaß gemacht, zusammen den offenen Fragen nachzugehen und ein paar Theorien aufzuwerfen – und natürlich einfach mal zu sagen, welchen Charakter man so richtig blöd findet. Dazu aber später mehr. Danke also nochmal dafür an dieser Stelle 🙂 Hier gelangt ihr zu ihrer sehr gelungenen Rezension. Schaut euch um bei ihr, es lohnt sich!
Story
Zu Beginn taumelte ich erstmal ziemlich ahnungslos durch die Seiten. Man wird abrupt ins kalte Wasser geschmissen, ohne Einführung oder Erklärungen. Da bleibt Lauren Beukes auch konsequent – zu keiner Zeit erklärt sie das Regierungssystem und wie es sich entwickelt hat. So war die erste Hälfte des Buches für mich schwer zugänglich und eine Herausforderung. Die Protagonisten Toby, Kendra, Lerato und Tendeka leben in einem Kapstadt, in dem die Apartheit wieder mit voller Wucht Einzug gehalten hat. Nur wer online ist, ist auch Teil der Gesellschaft. Wer offline ist, ist von allem ausgeschlossen. Der- oder diejenige kann keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, kein Einkäufe tätigen, kann sich nicht ausweisen und nicht mit anderen kommunizieren.
Das Handy, beziehungsweise die SIM-Karte, hat alle Funktionen unseres Alltags übernommen. Es ist Personalausweis, Wohnungsschlüssel, Geldkarte, Telefon – alles in Einem. Die Menschen sind von der Technik abhängig und die Regierung hat die vollständige Kontrolle. Sie überwacht jeden und unterbindet Aufstände so bereits im Kern, indem das Handy des Auffälligen Elektroschocks aussendet.
Von dieser Flut an Informationen war ich überwältigt. Ich wusste sie nicht einzuordnen und hätte mir mehr Erklärungen gewünscht. Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle so geduldig und ausdauernd an das Buch herangehen und es zu vorschnell beiseite legen. Das wäre schade, denn all denen entgeht eine nervenaufreibende und brisante Geschichte, die vor allem aktuellen Bezug hat. Denn: Ein Leben ohne Smartphone? Für die meisten doch beinahe unvorstellbar.
Meine Startschwierigkeiten hatten ein Ende, als ich die Danksagung der Autorin las, die sich als sehr interessant herausstellte. Darin beschreibt Beukes, woher sie ihre Ideen nahm und sie beschreibt die Beobachtungen und Recherchen, die dem Buch vorausgingen. Also ein kleiner Tipp von mir für alle, die das Buch beginnen: Lest die Danksagung, dann wird einem vieles klarer.
Durch die Augen der vier Protagonisten erlebt der Leser ein Kapstadt der Zukunft. Ihre Wege kreuzen sich immer wieder und ab der Hälfte verdichtet sich die Story zu einem extrem spannenden Thriller, den ich nicht mehr weglegen konnte. „Moxyland“ ist scharfsinnig, intelligent und zeigt ein beängstigendes Bild einer möglichen Realität.
Schreibstil
Lauren Beukes Sprache ist klar, direkt und geradezu roh. Sie hält sich nicht mit blumigen Beschreibungen auf, sondern benennt die Dinge wie sie sind. Das passt sowohl zum Thema als auch zu den Charakteren sehr gut. Hier und da wurden außerdem einige typisch südafrikanische Ausdrücke eingestreut. Obgleich ich noch einige kannte, musste ich dadurch allerdings öfter als mir lieb war zum Glossar blättern und nach der Übersetzung schauen. Das ist natürlich eine Einstellungssache – ich persönlich mag das hin und her blättern eher weniger.
Charaktere
Die vier Protagonisten Toby, Kendra, Tendeka und Lerato sind sehr verschieden. Diese Unterschiede im Lebensstil sowie der Lebenseinstellung sind sehr gut herausgearbeitet. Tendeka ist ruhig und besonnen. Er setzt sich für andere ein und möchte eine Revolution herbeiführen, die Welt verbessern. Es ist lustig, dass ich mir von seiner Figur beim Lesen des Klappentextes am meisten versprach, er jedoch letztendlich den geringsten Eindruck auf mich machte. Alle anderen waren für mich einfach interessanter.
So wie Lerato. Sie führt von allen ein Leben, das am ehesten im Sinne der Regierung ist. Sie arbeitet für eine der großen Firmen als Programmiererin. Dennoch nutzt sie ihr Know-how für kriminelle Machenschaften. Die Fotokünstlerin Kendra hingegen will unbedingt Teil der technisierten Gesellschaft sein. Dazu lässt sie sich Nanobots injizieren und lebt fortan als eine lebende Werbeanzeige. Sie war mir von Anfang an am sympathischsten, mit ihr konnte ich mich am ehesten identifizieren.
Toby ist arrogant, unsensibel, egoistisch und meistens high von irgendwelchen Drogen. Er schert sich nur um Geld und seine Streaming-Sendung mit dem sprechenden Titel „Tagebuch eines Arschlochs“. Er ist der Einzige, der jedem der drei anderen Berührungspunkte hat. Meistenteils hat diese Figur mich maßlos aufgeregt und fassungslos gemacht. Hier wurde wirklich mal ein echter Bad-Boy kreiert. Überraschenderweise hat er mich langfristig am meisten überzeugt und sein Weg wurde der spannendste.
Fazit
„Moxyland“ ist ein Buch, das viele wichtige Fragen über den heutigen Gebrauch von Medien und unsere Abhängigkeit von Technik aufwirft. Es regt ungemein zum Reflektieren an. Es ist verwirrend, beängstigend und intelligent und ganz gewiss keine der üblichen Dystopien. Es ist vielmehr ein Zukunftsthriller, der ganz nah an unserer Realität ist. „Moxyland“ ist ein Buch für alle, die sich gerne mit der Entwicklung der Technik und der Mediengesellschaft auseinandersetzen. Ich empfehle es sehr gerne weiter.
Über das Buch

Copyright: Rowohlt Verlage
Weißt du, wer wirklich die Kontrolle hat?
Kapstadt in der nahen Zukunft: Eine neue Form der Apartheid hat Einzug gehalten – zwischen Arm und Reich, zwischen Online und Offline. In dieser repressiven Welt kreuzen sich die Wege von vier grundverschiedenen Menschen: der Fotografin Kendra, die nach einer Injektion mit Nanobots als lebende Werbefläche herumläuft; des hedonistischen Videobloggers Toby, der in den Sog eines mysteriösen Online-Computerspiels gerät; der systemkonformen Programmiererin Lerato – und von Tendeka, dem romantischen Antikapitalisten, der nichts Geringeres plant, als das System zu stürzen …
Ein Zukunftsthriller von einer der aufregendsten Autorinnen des Genres, und ein Roman mit erschreckend aktuellem Thema: der Verlust der Freiheit in einer technikhörigen Welt – nominiert für den Sunday Times Fiction Prize. Von der Autorin der internationalen Bestseller „Shining Girls“ und „Broken Monsters!“.
♥ Herzlichen Dank an die Rowohlt Verlage ♥
Liebe Anna,
ich bin wieder mal begeistert von deiner ausführlichen und ausgewogenen Rezension! Hast du echt klasse ge-schrieben und das Buch sehr gut be-schrieben. 🙂
Dankeschön auch für das liebe Verlinken auf meinen Blog! 🙂
Vielleicht können wir ja noch einmal einen Roman zusammen lesen?! Würde mich freuen. 🙂
Herzliche Grüße
Tina
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Liebe Tina,
oh danke dir 🙂 Da weiß ich gar nicht, was ich sagen soll… 🙂
Den Link habe ich gerne gesetzt und ich freue mich, wenn wir noch einmal zusammen ein Buch lesen! Ich habe noch so einiges auf meinem SuB-Stapel und es kommen auch noch ein paar Bücher hinzu.
Wünsche dir einen schönen Sonntag! Liebe Grüße,
Anna
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Die Verlockung ruft, hatte es sogar in der Hand doch erst muss ich mich durch 1400 Seiten eines anderen Buches wälzen. Himmel Herr Gott 😀
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1400 Seiten?! Da aber wirklich Himmel Herr Gott 😀 Was ist denn das für ein Buch? Meine Güte… 🙂
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Infinte Jest von David Foster Wallace 😀 … Ich bin gerade auf Seite 130 angekommen
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Da hast du ja noch ein Stückchen vor dir 🙂 Klingt ziemlich ungewöhnlich und spannend. Wie konnte dieses literarische Ereignis nur an mir vorbeigehen…? 😉
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Laut Titel war es mal irgendwann auf der Spiegelbestsellerliste… Habe es auch nur durch Zufall von einer Freundin erfahren und da meine Mitbewohner zu Spontankäufen neigen hat es sich ebenso ergeben 😀
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Klingt echt interessant! Kommt auf meine Wunschliste! Die ist zwar lang, aber man darf ja wohl Pläne haben, oder? 😀
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Und wie man Pläne haben darf 🙂 Auf die Wunschliste darf endlos viel drauf, finde ich! 😀
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