Schildkrötenwege oder Wie ich beschloss, alles anders zu machen von Matthew Quick | Rezension

„[…] Das Buch setzt Gefühle frei. Gefühle, denen jeder selbst auf den Grund gehen muss. (Seite 151)

„Die Geschichte von Matthew Quick ist auf eine völlig unaufgeregte Art etwas ganz Besonderes.“ So lautet eine Zeile aus meiner Rezension zu Quicks Roman „Goodbye Bellmont“, die ihr hier vollständig nachlesen könnt. Warum ich mich jetzt darauf beziehe? Weil der Autor es wieder geschafft hat, sich klammheimlich und unbemerkt in mein Herz zu schreiben – und zwar mit seinem neuen Roman „Schildkrötenwege oder Wie ich beschloss, alles anders zu machen“.

In „Schildkrötenwege oder Wie ich beschloss, alles anders zu machen“, beginnt alles mit einem Buch. Ein Buch, das inspiriert und Jugendlichen Mut macht, ihre eigene Stimme zu finden und ihren eigenen Weg zu gehen. Das ihnen aufzeigt, dass man nicht alles so machen muss, wie andere es tun. Dass man nicht mit dem Strom schwimmen muss, wenn einen das Leben im Strom unglücklich macht. Nanette ist so ein Mädchen, dass mit dem Strom schwimmt, ohne dies zu hinterfragen. Sie ist eine sehr gute Schülerin, eine herausragende Sportlerin und kommt mit allen gut zurecht. Doch sobald sie dieses Buch von ihrem Lehrer zu lesen bekommt, verfällt sie der Geschichte mit Haut und Haaren, und beginnt ihr Leben und ihre Identität zu hinterfragen.

Ebenso ergeht es Alex, einem Einzelgänger, den sie bei einem Treffen mit dem Autoren des Buches kennenlernt. Auch Alex ist fasziniert von dem Gedanken, unangepasst zu sein. Bis hierhin plätschert der Roman als angenehmes Jugendbuch dahin. Wie zu erwarten, entwickelt sich zwischen Nanette und Alex eine zarte Verbindung, und man meint zu wissen, wie diese Geschichte endet. Doch dem ist ganz und gar nicht so.

Nanette versucht, ihre wahre Persönlichkeit tief in ihrem Innern zu verstecken. Das ist so harmlos wie ein gutartiger Tumor. (Seite 253)

Zwar beginnt die Geschichte von Nanette so leise, dass ich anfangs kaum wahrnahm, wie gut sie ist, doch dann kommt die Wendung und jede Zeile strotzt nur so von Kraft und Intensität. Die Geschichte wird immer eindringlicher, psychologischer und tiefgründiger. Ich liebe die Art des Autoren, aus scheinbar wenig sehr viel zu machen. Er weiß zudem mit Worten umzugehen. Und damit meine ich nicht, dass er kunstvolle Metaphern verwendet, sondern dass es ihm gelingt, sowohl authentisch jugendlich zu schreiben und gleichzeitig das (abgrund)tiefe Gefühlsleben der Charaktere begreiflich zu machen. Er blickt ganz tief in die Seele seiner Charaktere.

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Und eines Tages wirst du in den Spiegel gucken und dein Gesicht nicht mehr erkennen. Dafür wirst du jeden anderen sehen. Dann weißt du, dass du getan hast, was die anderen von dir wollten. Du hast dich angepasst. Und du wirst dich dafür hassen, weil es zu spät sein wird. (Seite 266/267)

Das macht aus „Schildkrötenwege“ viel mehr, als „nur“ ein Jugendbuch und eine Geschichte über das Erwachsenwerden. Es ist nicht „nur“ die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben und was dieses Leben ausmachen soll. Allerdings nutzt Matthew Quick dieses Thema als Basis, um Nanette mit einer Intensität zu betrachten, die mich vollkommen eingefangen hat. Es kam mir beinahe so vor, als wäre die Geschichte anfangs ein roher Stein, wie es viele gibt. Doch der Autor sieht mehr darin und bearbeitet diesen Stein, bis daraus eine kunstvolle Skulptur entsteht. Ein faszinierender Prozess.

Nanette war mir unendlich sympathisch und ihre Entwicklung ist teils so schmerzhaft-traurig, dass ich sie am liebsten in den Arm genommen hätte, und teils so stark und mutig, dass ein High five angebracht gewesen wäre. Es lohnt sich sehr, sie kennenzulernen.

Fazit

„Schildkrötenwege oder Wie ich beschloss, alles anders zu machen“ von Matthew Quick ist ein Juwel von Jugendbuch. Aus der anfangs recht typischen Erzählung schält sich Stück für Stück eine tiefgründige und intensive Geschichte heraus, die weit mehr für den Leser bereit hält, als der Klappentext vermuten lässt. Es geht um die Suche nach der eigenen Identität, inmitten einer sehr homogenen Masse, und es geht um Mut, Freundschaft und Liebe. Ein sehr empfehlenswertes Buch und ein Autor, den man sich merken sollte.


Schildkrötenwege oder Wie ich beschloss, alles anders zu machen

quick-schildkrötenwegeIhr ganzes Leben lang gehörte Einserschülerin und Spitzensportlerin Nanette O’Hara zu den Mädchen, die alle Regeln befolgen – bis zu dem Tag, als sie den Kultroman ›Der Kaugummi-Killer‹ liest. Auf einmal beginnt Nanette, ihr gesamtes Dasein in Frage zu stellen, und sie trifft auf den Einzelgänger Alex, der, ebenfalls ein großer Fan des Buchs, sich ähnlich wie der Held im Roman konsequent jeder Anpassung verweigert. Als Nanette und Alex sich ineinander verlieben, und sich näherkommen, fasst sie erstmals den Mut, sich offen gegen ihr bisheriges Leben aufzulehnen. Doch die radikale Weise, mit der Alex seine Auflehnung durchzieht, bereitet Nanette zunehmend Probleme…


Über Matthew Quick

Matthew Quick, 1973 in Oaklyn, New Jersey geboren, studierte Anglistik, arbeitete als Englischlehrer, schmiss seinen Job und reiste so lange durch Südamerika und Afrika, bis er endlich den Mut aufbrachte, das zu tun, was er schon immer machen wollte: einen Roman schreiben. Die Verfilmung seines Debüts ›Silver Linings‹ gewann einen Golden Globe und wurde mit einem Oscar ausgezeichnet und für weitere 7 nominiert. Matthew Quick lebt mit seiner Frau in Holden, Massachusetts.


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Verlagsinfos zum Buch

Verlag (Copyright Cover): dtv Verlag
Preis:
 16.95 Euro
Format: Hardcover
ISBN: 978-3-423-76204-5
Erschienen: 29. März 2018
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