Lanny von Max Porter | Rezension

Folge nur brav und bete recht fromm, dass dich Totpapa Schuppenwurz nicht holen kommt. Er wohnt im Wald. Ich glaube an ihn. Ich habe ihn gesehen. (Seite 76)

Der Klappentext von „Lanny“ machte mich unglaublich neugierig auf den zweiten Roman von Max Porter. Eine mystische Gestalt, ein abgelegenes Dorf, ein einschneidendes Ereignis – all dies wird angedeutet, nichts konkretisiert. Wundervoll! Ich wollte mich ins Ungewisse stürzen und mehr wissen. Wer ist dieser Altvater Schuppenwurz, von dem die Rede ist? Was geschieht in dem Dorf? Und vor allem: Wer ist Lanny? Letztendlich ist „Lanny“ ein Roman für Träumer, für diejenigen, die sich nicht davon abschrecken lassen, nicht alles zu verstehen und alles zu durchschauen. Denn es geht weniger um eine greifbare und realistische Handlung, sondern vielmehr um Gefühle, Ahnungen und nicht logisch nachvollziehbare Ereignisse.

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Mein Ein und Alles von Gabriel Tallent | Rezension

„Mein Ein und Alles. Mein Ein und Alles.“
„Ja“, sagt sie.
„Nur meins?“
„Nur deins“, sagt sie, und er presst seine Wange gegen ihre Hüften, presst sie eindringlich an sie, blickt zu ihr herauf, die Arme um ihr Kreuz geschlossen. (Seite 129)

Ich hasse diese Geschichte. Ich hasse es, dass der Waffenbesitz, der in den USA möglich ist, und die damit einhergehende Waffengewalt, eine so große Rolle in „Mein Ein und Alles“ spielen. Gleichzeitig aber liebe ich diese Geschichte, denn Gabriel Tallent hat mit Turtle und Martin Charaktere erschaffen, die ganz tief fühlen, die unglaublich falsch denken, die sich verlaufen haben, die orientierungslos und verzweifelt sind und die sich in kranker Liebe aneinender binden. Es tut weh, diesen Roman zu lesen, der mich abstieß und gleichzeitig anzog. „Mein Ein und Alles“ ist eine einzige faszinierende Herausforderung.

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Hyde von Antje Wagner | Rezension

Es war eine einzige große Unglaublichkeit, aber manchmal, das wusste ich ja, manchmal war gerade das Unglaubliche das überzeugendste Detail an einer Geschichte. (Seite 397)

Wer die Autorin Antje Wagner noch nicht kennt, sollte dies mit ihrem neuen Roman „Hyde“ unbedingt ändern, denn der ist eine Wucht! Er ist komplex und dramatisch, verwunschen und unheimlich, schlicht brillant. Ich geriet von der ersten Zeile an in die Fänge dieser Geschichte, begleitete die Protagonistin Katrina auf ihrem anstrengenden, aufreibenden und bisweilen schockierenden Weg. Dabei rüttelt die Autorin beständig an dem, was man zu glauben meint, bewirft einen mit neuen Erkenntnissen und noch nicht ganz greifbaren Zusammenhängen, die sich verdichten, bis man voller Atemlosigkeit durch die letzten Seiten rast. Ein tolles Erlebnis.

„Hyde“ lässt sich dabei in kein Genre zwängen, zu vielseitig ist die Geschichte. Es geht um Katrina, die auf der Suche nach Arbeit durch das Land zieht. Ein Geheimnis umgibt sie, das weiß man von Beginn an – immerhin versteckt sie einen Teil ihres Gesichtes nicht grundlos unter einem Tuch. Und sie ist voller Wut. Wut, da ihrem Vater und ihrer Schwester irgendetwas zugestoßen ist. Sie muss Geld zusammenbekommen, damit sie Rache üben kann. So weit die Fakten, alles weitere bleibt in der Schwebe.

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Wir sind dann wohl die Angehörigen von Johann Scheerer | Rezension

Wir waren aus unserem Universum hinauskatapultiert worden. Die Zeit, wie wir sie kannten, existierte nicht mehr. (Seite 19)

„Und ich schau wieder auf die Uhr: du bist immer noch nicht da
Keine Ahnung wo du bleibst, es ist wahr:
Mir ist langweilig […]“*

Nachdem ich „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Johann Scheerer in der vergangenen Woche gelesen hatte, hat sich der Sinngehalt des Liedes *“Langweilig“ von den Ärzten für mich grundlegend geändert. In dem autobiografischen Bericht des Hamburger Musikproduzenten ist Langeweile ein zentrales Motiv, denn vor 22 Jahren konnte Johann Scheerer 33 Tage lang nichts anderes tun, als im Nichtstun zu verharren und zu warten: Am 25. März 1996 wurde sein Vater, Literatur- und Sozialwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma, entführt und erst 33 Tage später wieder freigelassen.

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Lügnerin von Ayelet Gundar-Goshen | Rezension

Warum wir lügen – tiefgründig und berührend. 

Auf „Lügnerin“ von Ayelet Gundar-Goshen aus dem Kein & Aber Verlag wurde ich beim durchforsten der Verlagsvorschauen aufmerksam. Die mit dem Sapir-Preis für das beste Debüt Israels ausgezeichnete Autorin studierte Psychologie und so ist es schon fast natürlich, dass sie ihre Charaktere bis in ihr Innerstes durchleuchtet. Was geschieht, wenn ein Missverständnis zu einer Lüge heranwächst, die das Leben einer jungen Frau von Grund auf verändert? Was geht in den Menschen vor, die von der Lüge wissen? Was geschieht mit den Menschen, die unter der Lüge zu leiden haben? Ayelet Gundar-Goshen geht diesen Fragen auf den Grund. Wie mir das Buch gefallen hat, erfahrt ihr in meiner Rezension.

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Einmal im Jahr für immer von Sarah Ricchizzi | Rezension

Eine intensive Geschichte über das Leben und den Tod. Gleichzeitig sprühend vor Humor und Lebensfreude.

Ich habe den allergrößten Respekt vor Autoren und noch etwas größeren Respekt habe ich vor Autoren, die als Selfpublisher alles mehr oder weniger alleine auf die Beine stellen. Die Freude am Schreiben, am Geschichten erzählen, treibt sie aber alle gleichermaßen dazu an, sich jeden Tag an ihren Text zu setzen und daran zu feilen, bis er perfekt ist. Ich muss dies meiner Rezension vorwegnehmen, da ich über den Blog von Sarah Ricchizzi einen Teil des Schreib- und Entstehungsprozesses von „Einmal im Jahr für immer“ miterlebte. Was für eine Arbeit hinter einem Buch steckt! Umso magischer war folglich der Moment, als ich das Ergebnis dann mit eigenen Augen sah und es tatsächlich in Händen hielt! Mächtig aufgeregt und ein wenig nervös habe ich begonnen, es zu lesen. Wie es mir gefallen hat, erfahrt ihr in meiner Rezension.

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Hörbuch-Rezension | Der Club von Takis Würger

„Der Club“ von Takis Würger, Redakteur beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, war in den Wochen seit Erscheinen des Romans in aller Munde. Ich begegnete begeisterten Stimmen und stolperte auf sämtlichen Social-Media-Kanälen über das schlichte, aber dennoch (oder eben deshalb) auffällige Cover. Lange sträubte ich mich dagegen, das Buch selbst zu lesen bzw. es mir anzuhören, doch letztendlich siegte die Neugier. Mehr zum Hörbuch erfahrt ihr in meiner Rezension.

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Rezension | Ich, Eleanor Oliphant von Gail Honeyman

„Ich, Eleanor Oliphant“ von Gail Honeyman ist die Geschichte über eine einsame junge Frau. Das Buch erzählt, warum das so ist, wie Eleanor die Einsamkeit verkraftet, und wie sie daraus ausbrechen kann. Ein Thema, das mich sehr reizt, denn sind wir nicht alle dann und wann einsam? Ich war es früher oft, denn wir zogen häufig um und ich tat mich immer schwer damit, neue Freundschaften zu knüpfen. Trotz aller Nähe zum Thema also, ist es nun aber schwer, die richtigen Worte zu finden. Denn viele Teilabschnitte von „Ich, Eleanor Oliphant“ sind gut, haben mir gefallen, mich berührt, doch weitaus mehr Abschnitte haben mich stirnrunzelnd in die Seiten schauen lassen. Noch dazu lassen sich die jeweiligen Abschnitte nur schwer miteinander in Einklang bringen. Details erfahrt ihr in meiner Rezension.

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[Rezension] Sweetgirl von Travis Mulhauser

Ehe der Frühling so richtig beginnt, möchte ich noch von einem Überraschungs-Winterlesetipp aus dem Hause dtv erzählen. „Sweetgirl“ von Travis Mulhauser wurde mir angekündigt als „ein Roman, der in den tiefverschneiten Bergen Michigans spielt und eine packende, wilde Mischung aus anrührend, witzig und grotesk ist; dessen Charaktere dich auch nach dem Lesen nicht loslassen; dessen Atmosphäre an Filme wie ›True Grit‹ und ›Winter’s Bone‹ erinnert und dessen Ton an Songs erinnert, die mit rauer Stimme am Lagerfeuer gesungen werden“. Inwiefern ich den Roman so erlebte oder auch nicht, erfahrt ihr in meiner Rezension.

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[Rezension] „Nordnordwest“ von Sylvain Coher

Thalassophobie, das ist die Angst vor dem Meer, und diese Phobie habe ich. Mir genügt es schon, nur an die Tiefe des Meeres zu denken, und mein Magen schlägt Saltos. Angesichts dessen war es eine Herausforderung, den Roman „Nordnordwest“ von Sylvain Coher zu lesen, in dem drei Jugendliche ohne Erfahrung über den Ärmelkanal segeln. Doch da war etwas, das mich an der Geschichte reizte. Die unverbrauchte Thematik? Das ungewöhnliche Setting? Die Dreierkonstellation der Charaktere? In meiner Rezension erfahrt ihr, ob mir der Roman gefallen hat. Vielen Dank an den dtv Verlag für das Rezensionsexemplar.

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