Einmal im Jahr für immer von Sarah Ricchizzi | Rezension

Eine intensive Geschichte über das Leben und den Tod. Gleichzeitig sprühend vor Humor und Lebensfreude.

Ich habe den allergrößten Respekt vor Autoren und noch etwas größeren Respekt habe ich vor Autoren, die als Selfpublisher alles mehr oder weniger alleine auf die Beine stellen. Die Freude am Schreiben, am Geschichten erzählen, treibt sie aber alle gleichermaßen dazu an, sich jeden Tag an ihren Text zu setzen und daran zu feilen, bis er perfekt ist. Ich muss dies meiner Rezension vorwegnehmen, da ich über den Blog von Sarah Ricchizzi einen Teil des Schreib- und Entstehungsprozesses von „Einmal im Jahr für immer“ miterlebte. Was für eine Arbeit hinter einem Buch steckt! Umso magischer war folglich der Moment, als ich das Ergebnis dann mit eigenen Augen sah und es tatsächlich in Händen hielt! Mächtig aufgeregt und ein wenig nervös habe ich begonnen, es zu lesen. Wie es mir gefallen hat, erfahrt ihr in meiner Rezension.

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Liest man das Buch von jemandem, den man kennt, möchte man unbedingt, dass es einem gefällt. Es ist wirklich Fluch und Segen zugleich, mit Autoren in Kontakt zu stehen. Doch Sarah konnte mich mit ihrer Geschichte sehr überzeugen. Ihr Schreibstil allem voran. Ich stieß immer wieder auf wunderschöne Vergleiche, die unglaublich präzise den Gefühlszustand der Protagonistin beschreiben. Denn darum geht es maßgeblich in „Einmal im Jahr für immer“: Um die Gefühle von Amelie Red, die um ihren verstorbenen Mann Math trauert. Und es geht um die Frage, wie sie damit umgeht, wie und ob sie es überhaupt verkraften kann, ihn verloren zu haben.

Ihr Herz schlotterte, als wolle es aus ihrer Brust raus, jetzt sofort und am besten für immer. Sie hatte das Gefühl die Schwere ihres Leids nicht länger tragen zu können, wollte es fortschaffen, beiseitelegen, vergraben. (Seite 27)

Sarah Ricchizzi hat damit ein Thema aufgegriffen, das sie persönlich bereits seit langem sehr nachdenklich macht. Hier gibt es dazu einen spannenden Einblick in den Entstehungsprozess des Romans. Allzu viele Details möchte ich hier jedoch nicht preisgeben, um nicht versehentlich zu spoilern. Wer aber Interesse hat, mehr zu erfahren, dem möchte ich diesen Beitrag dringend ans Herz legen.

Das Herz, ja – was passiert mit dem eigentlich, wenn ein geliebter Mensch stirbt und man selbst zurückbleibt. Was macht das mit einem? Mit dem Leben, das man führte? Kann man einfach so weitermachen? Kann man vergessen? Darf man überhaupt vergessen? Wird dieses lähmende Gefühl der Trauer jemals nachlassen? Wie kann man den Verlust akzeptieren, ohne selbst völlig daran zu zerbrechen? Sarah macht in ihrem Roman etwas, das ich in der Form noch nicht gelesen habe: Sie konzentriert sich einzig und allein darauf, wie es sich für Amelie anfühlt, ihren Math zu verlieren. Es ist eine äußerst konzentrierte Beobachtung eines Trauerprozesses.

Ich fühle mich besser, wenn es mir schlecht geht. Das mag im ersten Moment eigenartig klingen, doch ich kann es gar nicht anders ausdrücken. Denn, wenn ich mich gut fühle, ja, das kommt tatsächlich zwischendurch vor, dann ist das schlechte Gewissen derart erdrückend, dass es meine gesamte Gedankenwelt erschüttert. (Seite 121)

Dabei geht sie aber auch anderen Fragen nach. Schuldgefühlen zum Beispiel. „Einmal im Jahr für immer“ widmet sich dem gesamten Gefühlschaos von Amelie Red und hat mir dabei des Öfteren die Tränen in die Augen getrieben – vor allem auf den letzten Seiten. Im Kontrast dazu steht der Clown, der sie in dieser Phase ihres Lebens herausfordert und sie zurück ins Leben drängt. Doch der Clown ist viel mehr als nur ein Mittel zum Zweck, denn auch er hat seine eigene Geschichte.

Sarah Ricchizzi hat ihre Charaktere sehr vielschichtig angelegt. Ich konnte mich in jeden von ihnen einfühlen, am meisten aber tatsächlich in den Clown. Anfangs weiß man nichts über ihn, doch Stück für Stück kommt mehr über seine eigene Vergangenheit und seine Verbindung zu Math ans Licht. Amelie war mir bisweilen etwas zu passiv. Das ist jedoch nur mein persönliches Empfinden. Sicherlich ist das auch der Tatsache zu schulden, dass Amelie nach dem Tod ihres Mannes nicht arbeiten muss. Sie hatte auch vor seinem Tod nicht mehr gearbeitet, da sie über ein ansehnliches Vermögen verfügen. Dieser Umstand war für mich sehr ungewohnt, da Amelie nicht gezwungen ist, sich mit dem Alltag auseinanderzusetzen. Sie MUSS nicht weitermachen und ihre Trauer verdrängen. Sie kann sich gehen lassen.

Bisweilen war es mir daher etwas zu viel des „sich gehen lassens“. Dies äußert sich auch darin, dass Amelie häufig sehr ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen, dass sie immer wieder in dieselbe Gedankenspirale gerät. Ich hätte Amelie manchmal am liebsten kräftig geschüttelt, um sie aus ihrer Lethargie zu reißen. Doch abgesehen davon war ich von „Einmal im Jahr für immer“ vollkommen gefesselt. Und es gab ja immerhin noch den Clown, der diesen Part des „Schüttelns“ des Öfteren übernahm. Der Aufbau der Geschichte ist perfekt, die Entwicklung der Charaktere absolut realistisch und einfühlsam beschrieben. Am meisten beeindruckt hat mich aber das Ende, mit dem sich der Roman noch einmal deutlich von anderen seiner Art abgrenzt.

Fazit

Sarah Ricchizzi hat mit „Einmal im Jahr für immer“ eine sehr emotionale und tiefgründige Geschichte über das Sterben, Verlust, Trauer und Depression geschrieben. Voller Intensität und wundersamen und bisweilen kuriosen Begegnungen, Erlebnissen und Wendungen, doch immer mit starkem Bezug zur Realität. Für mich fehlten lediglich ein wenig die alltäglichen Herausforderungen, wie Beruf und Familie, doch dies hat die Autorin mit voller Absicht so eingerichtet. Die Charaktere sind lebensnah und insbesondere der Clown ganz stark in seiner Entwicklung. Mich hat Sarah Ricchizzi sehr berührt und ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen, der gefühlvolle Geschichten mag. Danke, Sarah, dass ich dein Buch lesen durfte!

♥ ♥ ♥ ♥ | ♥

Einmal im Jahr für immer

Was bedeutet eigentlich Leben?

Math ist tot.
Und Amelie Red fragt sich, weshalb sie noch weiterleben soll.
Wozu den Schein wahren, wenn der Tod so schwer auf ihr lastet?

In ihrer Trauer um ihren verstorbenen Ehemann, vergisst Amelie Red, wer sie einst gewesen ist und verliert sich in ihrer eigenen Gedankenwelt.
Dann klopft ein Clown unerwartet an ihre Badezimmertür und sprengt ihr Leben mit Abenteuern, die sie nicht erleben will.
Ein Clown lässt sich allerdings nicht so einfach ignorieren, schon gar nicht, wenn im eigenen Treppenhaus ein Regenbogen erscheint, eine Hüpfburg im Wohnzimmer thront und sie das Haus nicht mehr durch die Haustür, sondern durch ein Fenster betreten muss.

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Copyright:
Sarah Ricchizzi
Verlag:
Selfpublishing
Preis:
 9.99 Euro
Format: Taschenbuch
ISBN: 978-3-7450-1514-0
Erschienen: 30. August 2017
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Über Sarah Ricchizzi


Sarah Ricchizzi, geboren 22.05.1992, lebt und schreibt in Nordrhein-Westfalen. Seit bereits fast zehn Jahren schreibt sie nun Geschichten und Bücher. Allerdings hat sie den Schritt in die große weite Welt erst im Jahr 2016 gewagt. In dem Jahr veröffentlichte sie ihre erste Kurzgeschichte Die Geschichte des Luchris Sarberry in der Anthologie Flucht in ein sicheres Leben im Wölfchen Verlag. Nun wagt sie ihre ersten Versuche im Selfpublishing mit einer weiteren Kurzgeschichte, mit dem Titel Der Sandkornzähler. Im Moment schreibt sie an ihrem Debütroman und an weiteren Kurzgeschichten, die an den Sandkornzähler anschließen werden.

Weitere spannende Informationen und Einblicke unter: sarahricchizzi.com.

Stimmen anderer Blogger


7 Gedanken zu “Einmal im Jahr für immer von Sarah Ricchizzi | Rezension

  1. Liebe Anna,
    was für eine schöne Rezension!
    Es freut mich so sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat. Auch für mich war es eine totale Gefühlsachterbahn, dir meinen Roman zu überlassen, gerade von Buchbloggern, die man kennt, möchte man natürlich, dass es ihnen gefällt. Das ist so schön! Ich glaube wir hatten beide gleichermaßen Angst 🙂
    Es freut mich, dass wir uns bald schon sehen werden!

    Alles Liebe,
    Sarah

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