Das Lied der Wölfe von Rena Fischer | Rezension

„Das Lied der Wölfe“ ist der erste Erwachsenenroman von Rena Fischer, die zuvor die fantastischen und abenteuerlichen Jugendbuch-Reihen „Elbendunkel“ und „Chosen“ schrieb. In ihrem neuen Buch geht es um die Liebe, Wölfe, Schottland, PTBS, eine toxische Beziehung und familiäre Konflikte – und ich war mehr als gespannt darauf. Würde es der Autorin gelingen, mich auch mit diesen Themen zu fesseln? Würde es sich um einen klassischen Liebesroman handeln oder würde mich mehr erwarten? Ich antworte direkt: Ja und nochmals ja! „Das Lied der Wölfe“ hat mich von Anfang bis Ende restlos begeistert, überrascht und berührt. Dieser Roman fesselte mich und er ist so viel mehr als „nur“ eine Liebesgeschichte. Leser:innen erwartet eine vielschichtige, hervorragend recherchierte, wundervoll geschriebene Geschichte mit großartigen Figuren.

Gleich zu Beginn lernt man die Wolfsforscherin Kaya als sehr nahbare und sympathische Figur kennen. Sie weiß, was sie kann, aber dennoch zweifelt sie an ihren Fähigkeiten angesichts des neuen Projekts, das ihr anvertraut wurde. Dadurch schloss ich sie unmittelbar ins Herz und ich war bereit, mich ins Abenteuer zu stürzen und sie auf ihrer Reise von Deutschland nach Schottland zu begleiten, wo sie auf den Ländereien des schottischen Milliardärs Alistair MacKinley wilde Wölfe ansiedeln soll. Ein Unterfangen, das nicht nur rechtlich schwierig umzusetzen ist, sondern dem sich auch noch die schottischen Einwohner der Region entgegenstellen. Gleichzeitig gerät Kaya unwissentlich zwischen die Fronten eines seit vielen Jahren schwelenden Streits zwischen Alistair und seinem Sohn Nevis. Nevis, der ebenfalls absolut nichts von dem Projekt hält und sich ihr gegenüber mehr als abweisend verhält. Doch trotz alledem hält sie an ihrem Vorhaben fest, sie ist getrieben von der Liebe zu den Tieren und zur Natur.

Bernsteingoldene Augen fixieren mich zwischen hellem Fell. In ihrer Mitte verläuft ein schmaler rotbrauner Streifen, der an einer schwarzen großen Nase endet. Ich starre auf die dunklen Lefzen einer Schnauze und den weißen Atemhauch, der mir in kurzen Stößen daraus entgegenschlägt, wie Nebelschleier, während mein Kopf langsam ein Wort zusammenpuzzelt.

Wolf.

Das Lied der Wölfe, Seite 307

Als Leser:in erfährt man unglaublich viel über Wölfe und die Vorteile einer Ansiedlung für die Wälder. Man merkt sofort, dass diesem Roman eine umfassende Recherche zugrunde liegt, was die Autorin im Rahmen einer Bloggerveranstaltung bestätigte: „Ich mag es einfach nicht, wenn etwas schwammig beschrieben wird.“ Das spürt man in jeglicher Hinsicht. Nicht nur die Orte und die Natur sind absolut greifbar beschrieben, auch die komplexen Zusammenhänge zwischen Wölfen und anderen Tieren werden nachvollziehbar erläutert. Sehr spannend und ich stürzte mich anschließend direkt selbst in die Recherche.

Doch damit nicht genug. „Das Lied der Wölfe“ hat eine ungemein komplexe und emotionale Handlung. Angefangen bei Nevis, einem Ex-Elitesoldat, der sich von schweren Kriegsverletzungen erholt und an PTBS leidet, widmet sich Rena Fischer einer Vielzahl an sensiblen Themen. Da ist der Freundeskreis von Nevis, bestehend aus zwei Ex-Soldaten, die ihre eigenen traumatischen Erfahrungen gemacht haben und diese zu verarbeiten versuchen. Und da wären der Ex-Freund von Kaya, der sie nicht gut behandelt hat, sowie der immer mehr eskalierende Streit der Familie MacKinley, dessen Ursprung in der Kindheit von Nevis zu suchen ist. Mit all diesen Themen hat sich die Autorin intensiv auseinandergesetzt. Ernsthaft und unaufgeregt werden die fiktiven Einsätze der Soldaten beschrieben, einfühlsam und differenziert werden die Folgen jeglicher negativer Erfahrungen der Figuren ausgeführt.

Carpe diem! Wir leben, als gäbe es kein Morgen, pflücken Tag für Tag die Früchte unserer Liebe vom Baum des Verdrängens, ertrinken nachts in Zärtlichkeiten und belügen uns die ganze Zeit selbst.

Das Lied der Wölfe, Seite 406

Zugleich verliert Rena Fischer aber auch nicht die Leichtigkeit aus dem Blick. So wiegen die Themen zwar schwer, doch als Leserin fühlte ich mich nie von ihnen erdrückt. Es bleibt immer auch Raum für das Lachen und natürlich die Liebe. Denn die Liebe in ihren vielen Facetten spielt eine elementare Rolle in „Das Lied der Wölfe“. Da wäre die Liebe zu den Eltern, zwischen Geschwistern, zwischen Freunden. Alles ist durchzogen von diesem starken Gefühl und alles wird dadurch trotz aller Herausforderungen zusammengehalten.

Dennoch ist die Liebe, wie in vielen anderen Geschichten, in „Das Lied der Wölfe“ nicht die Lösung. Liebe hilft und schenkt Kraft, doch sie löst keine Probleme. Das schaffen die Figuren nur aus eigener Kraft, durch Vertrauen und durch Kommunikation. Dieser Roman erzählt also da weiter, wo andere Geschichten enden. Denn ein „Happy End“ der Liebe ist noch lange kein glückliches Ende der einzelnen Figuren, hier bleibt immer noch ein Stück Weg zu gehen. Es gefiel mir außerordentlich gut, dass dieser Weg hier gegangen wird.


„Das Lied der Wölfe“ von Rena Fischer hat mich vollkommen gefangen genommen. Und das lag nicht an meiner grundsätzlichen Begeisterung für Schottland und Wölfe, sondern ausschließlich an dem großen Schreibtalent von Rena Fischer. Sie hat nicht nur die atemberaubende schottische Landschaft vor meinem inneren Auge zum Leben erweckt, sondern zugleich eine intensive und anspruchsvolle Liebesgeschichte voller spannender Hintergrundinformationen zu schottischem Recht und Wölfen erzählt. Gleichzeitig gibt sie ernsten Themen, wie PTBS und toxischen Beziehungen Raum, ohne Leser:innen zu sehr zu belasten. SO lesenswert!

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Das Lied der Wölfe

Copyright: dtv Verlag

Verlag: dtv Verlag
Preis: 14.90 Euro
Format: Klappenbroschur
ISBN: ISBN 978-3-423-26287-3
Erscheinungstermin: 21. Mai 2021
Content Notes: PTBS, Selbstmord, Toxische Beziehung

Die junge deutsche Wolfsforscherin Kaya wird von dem schottischen Milliardär Alistair MacKinley angestellt, um auf seinen Ländereien wilde Wölfe anzusiedeln. In dem einsamen Herrenhaus in den Highlands trifft sie auch auf den verschlossenen Nevis, Alistairs attraktiven Sohn, mit Augen wie das Sturmgraublau des schottischen Himmels. Der verwundete Ex-Elitesoldat soll sich von seinen schweren Kriegsverletzungen erholen. Doch er verweigert die Therapie und torpediert das Wolfsprojekt, wo er nur kann. Kaya ist wütend und fasziniert zugleich, ohne das tragische Ausmaß seines Zustands zu ahnen. Eine Zusammenarbeit mit Nevis endet katastrophal. Erst als sich beide ihrer Vergangenheit stellen, können sie ihre Liebe und ihre Zukunft retten.

Autor:in: Rena Fischer lebte und arbeitete einige Jahre in Irland und Spanien, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Auf Reisen kommen ihr immer die besten Schreibideen. Ganz besonders schlägt ihr Herz für die unendlichen Weiten der schottischen Highlands. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in München.


Bei diesem Titel handelt es sich um ein Rezensions- bzw. Presseexemplar. Für die Rezension habe ich keine Bezahlung erhalten. Auf meinem Blog findet ihr stets meine unabhängige und persönliche Meinung zu Titeln.


Weitere Stimmen zum Buch

Ingrid von Buchsichten | Anett von Anetts Bücherwelt | Ramona von Kielfeder

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